San Cristobal de las Casas ist ein wunderbarer Ort im Bergland von Chiapas. Die Stadt ist ein Backpacker-Hub mit unzähligen Restaurants und Hostels. Und bietet sich an, um viele Orte in Chiapas zu erreichen.
Wir fahren von Xela in Guatemala hierher. Die Fahrt durch Guatemala ist noch rumpelig mit unzähligen Schlaglöchern und noch mehr Geschwindigkeitsbegrenzern. Der Minibus setzt uns an der Grenze zu Mexiko ab, die wir zu Fuß überqueren. Auf der anderen Seite steht in dem Grenzort ein mexikanischer Minibus für uns bereit. In Chiapas ist die Straße dann breit und gut ausgebaut inklusive neuer Zollgebäude weiter im Landesinneren zur Kontrolle des Verkehrs. Neue Straßen und staatliche Gebäude – das ist deutlich anders als in Guatemala.
Ich selbst habe aber eine ganz eigene Erinnerung an Chiapas, obwohl ich noch nie hier war. San Cristobal war für mich immer verbunden mit der EZLN. Die Gruppe berief sich auf die mexikanische Revolution und Emiliano Zapata, daher auch der Name „Zapatisten“. 1994 erklärte diese indigene Guerillagruppe den Aufstand gegen den Neoliberalismus und die Hegemonie des Westens, die sie mit dem Freihandelabkommen NAFTA kommen sah. Und der Schrei der EZLN gegen die Ungerechtigkeit in Chiapas wurde über den ganzen Globus gehört. Ich trug zu der Zeit eigentlich immer ein T-Shirt von Subcommandante Marcos. So in der Zeit kurz vor dem Abitur war das damals, 1995. Später, mit dem Erstarken der Antiglobalisierungsbewegung um die Jahrtausendwende, wurde die Gruppe weltweit bekannt. Aber auch das ist inzwischen 17 Jahre her. Und von der EZLN ist heute in San Cristobal eine Erinnerung geblieben.
Die Zapatisten sind nicht in der Stadt sondern außerhalb in selbstverwalteten Gemeinden, den Caracoles, zu finden. Als Tourist kann man das bekannteste Dorf Oventic besuchen. Nur fehlt uns dazu dieses Mal die Zeit. Wir lesen stattdessen alte Emails von Emilys Bruder, der als Menschenrechtsbeobachter vor 10 Jahren vor Ort war und die Situation schilderte. Und Emily selbst war vor 8 Jahren schon mal hier. Hat sich die Stadt verändert? Sie sagt, dass es heute deutlich weniger bettelnde Kinder hier gibt. Gut so.
In San Cristobal selbst gibt es noch unzählige Läden mit EZLN Devotionalien. Und kleine Kinos, die täglich Dokumentationen zur EZLN zeigen. Wir sehen uns die Doku Zapatista (vollständig auf youtube zu finden) im Kino an. Der Film stammt aus den 1990er Jahren und mir wird klar: das ist Geschichte. Trotzdem haben die EZLN und andere Gruppen wie die katholischen Abjejas wichtige Debatten angestoßen: etwa die Gleichberechtigung von Mann und Frau.
In San Cristobal gibt es nach wie vor politische Aktionen auf der Straße. Auf dem Marktplatz ist ein Info-Stand aufgebaut und eine Gruppe verteilt Flugblätter, auch an uns. An vielen Wänden finden sich nach wie vor politische Graffitis.
Chiapas ist immer noch der ärmste Bundesstaat in Mexico mit einem geringen Anteil am Bruttosozialprodukt von 1,73 Prozent. Nur ist von Armut und ökonomischer Deprivation in San Cristobal wenig zu sehen. Die Stadt wirkt bürgerlich, alternativ und reich. Es gibt keine Ladengeschäfte internationaler Ketten in der Fußgängerzone, der Real de Guadeloupe. Stattdessen gibt es kleine Geschäfte mit lokalen Produkte: T-Shirts, Honig, Wein. Und eine Dichte an Restaurants, wie wir sie seit Tulum nicht mehr gesehen haben. Dabei werden wir schon in unserer Unterkunft, der Posada del Abuelito, morgens mit einem großen Frühstücksbuffet versorgt.
Die Stadt ist ein Mecca für Essen. Gerade im Vergleich zu Guatemala ist die Auswahl deutlich breiter. Etwa mit libanesischen und israelischen Falafel-Läden. Hier in San Cristobal ist der Tourismus definitiv ein Grund dafür, dass es den Bewohnern heute besser geht als vor 20 Jahren. So kann Tourismus im Positiven aussehen: als nachhaltiger Aufbau lokaler Geschäfte.
An Touren unternehmen wir den Tagesausflug zum Cañón del Sumidero. Der Canyon ist beeindruckend hoch und die Berglandschaft hier atemberaubend. Die Bergschlucht steigt über einen Kilometer an der steilsten Stelle auf. Und wir sehen Krokodile am Ufer.
Wirklich beeindruckend ist allerdings etwas anderes. Und zwar anders, als erwartet. Der Canyon schwimmt voll mit Müll. Und zwar nicht wenig, sondern tonnenweise. 5000 Tonnen Abfall sammeln sich hier pro Jahr an. An einigen Stellen haben sich riesige Ansammlungen aus Plastikmüll im Fluß gebildet. Das ist wirklich übel. Besser wäre es, der Müll würde erst gar nicht im Canon landen. Aber hier scheinen sich Guatemala und Mexico den schwarzen Peter zuzuschieben, zumal Mexico den Fluß für ein Wasserkraftwerk nutzt. Der Müll sammelt sich dann stromabwärts in Mexiko.
Ich selbst verzichte nach der Tour noch häufiger darauf Wasser in Plastikflaschen zu kaufen. Eine Welt aus Plastikmüll – eine Horrorvorstellung. Aber man kann zum Glück etwas dagegen unternehmen. Und die Eintrittsgelder für den Canyon werden für die Müllbeseitigung verwendet, insofern bewirkt der Besuch etwas Gutes.