Heiliger Frostelius! Willkommen im eisigen Wind. Ich bin nicht nach Harbin gereist sondern von Taishan an die Küste in Shandong nach Qingdao. Aber das Wetter fühlt sich nicht wie April an, sondern wie Ostsee Ende November. Durch den Windchill-Faktor wirken die 14 Grad tagsüber deutlich niedrigerund nachts fällt das Termometer auf 2 Grad. So hatte ich mir die Küste nicht vorgestellt. Man kann hier sicher einiges unternehmen, ber mir ist es schlicht zu kalt. Handschuhe wären nicht schlecht, ich habe keine. Ich nehme mir vor, das nächste Mal China im Sommer zu besuchen, da die nächsten Reiseetappen noch weiter nördlich liegen, Heilongjiang und Jilin.
Zum Glück ist das Hostel, eine alte Sternenwarte, beheizt. Und ich habe es letztenendes gefunden, denn der angeblich richtige Bus Nummer 2 kurvte mit mir bis zur Endhaltestelle an einer Polizeisportschule, an der Polizisten in voller Riot-Montur mit körpergroßen Schildern die Aufstandsbekämpfung übten. Ich bleibe sitzen, der Bus fährt zurück. Ein Typ setzt sich neben mich und fängt an sich auf englisch mit mir zu unterhalten, während ich versuche rauszufinden, wo ich eigentlich bin. Ich werde leicht paranoid und gehetzt, in etwa so wie Michael Keaton in Birdman, denn ich kann nicht gleichzeitig das „where are you from?“ Programm abspulen, während ich im falschen Bus sitze. Ich lenke das Gespräch unauffällig auf das Hostel und mein Gegenüber meint „Bus Number 2 takes you there, but it is a different Number 2“. Alles klar, es gibt also die Nummer 2 und die „Nummer 2“. Laut seiner Aussage ist das Hostel nicht weit entfernt und ich kann dorthin laufen. Ein Glück habe ich bei der Irrfahrt im Bus den Hügel gesehen und wo wird so ein ehemaliges Observatorium wohl stehen? Der Rest der Wegbeschreibung führt nämlich genauso in die Irre „go to the church and follow our signs“. Ich gehe in den nächsten Tagen diesen und andere Wege noch mehrfach und Schilder vom Hostel entdecke ich kein einziges Mal. Durch verschlungene Gassen und Wege komme ich durch einen Park am Hostel an, am höchsten Punkt des Hügels. Das Gebäude ist formschön und bester Punkt ist die Kuppel auf dem Dach, in der sich nun das Cafe befindet, um einen Wintergarten vergrößert und mit riesiger Dachterasse. Der Blick in alle Richtungen ist großartig, auch oder gerade in einer frostigen Nacht.
In Qingdao ist das koloniale Erbe der Deutschen um die Jahrhundertwende architektonisch noch zu spüren. Der Bahnhof und einige Straßenzüge in der Altstadt könnte auch in Dessau stehen. Das ist für China untypisch. In der Altstadt, Shinan, gibt es verwinkelte Straßen, die sich den Hügel hochschlängeln. Und es gibt erstaunlich wenig Shopping Malls, denn diese sind alle in anderen Vierteln angesiedelt. Insofern wirkt die Altstadt nicht wie eine Großstadt mit 3,5 Millionen Einwohnern. Das lokale Bier Tsingtao wird vor Restaurants aus Fässern zum Abfüllen in eigene Gefässe verkauft. Oder in Pitcher-Krüge. Und Seafood ist hier riesig. Viele Restaurants haben eine Batterie von Aquarien aufgestellt, in der allerlei Meeresbewohner zum Verzehr bereitstehen. Alles in allem eine Stadt, in der es sicn ganz passabel ein paar Tage verbringen lässt.
Von der Bierbrauerei habe ich gehört, der Besuch dort soll ganz gut sein. Ich fahre nächstes Jahr nach China, ich bin gespannt.