Mir fällt beim Aussteigen aus dem Zug auf auf einmal auf, dass Mitte März ist und ich 1000km in den Norden gefahren bin. Ich bin in Hangzhou, Zhejiang Provinz. Und es ist kalt.
Am neu eröffneten Apple Store geht es mit dem Bus ins Hostel in Nähe des Zoos. Auf der Karte sieht alles immer anders aus, ich hätte hier Stadt erwartet, es sieht aber ziemlich grün draußen aus. Der nächste Morgen offenbart, dass es um den West Lake wirklich sehr grün ist. Hangzhou nimmt keinen Eintritt für Parks und so kann man schön durch Seen und angelegte Wege flanieren. Was auch immer die holländische Windmühle hier her verschlagen hat. Den Jingci Tempel für 10 Yuan sehe ich mir an, die Leifeng Pagod lohnt sich nur der Sicht wegen (40 Yuan) und bei dem Tag ohne Sonne im Nebel dürfte wenig zu sehen sein. An einem Tag ohne Wolken: gerne.
Ich war 2 Monate abstinent von Tee. Ich wußte nicht, wie ich mir unterwegs heißes Wasser hätte besorgen können. Dazu haben die Länder Laos und Thailand traditionell wenig mit Tee am Hut. In Hangzhou bin ich endlich wieder back in business. Der lokale Tee ist unfermentierter Grüntee, Longjing. In allen Hostels und Bahnhöfen gibt es heißes Wasser und es ist üblich hier einen verschließbaren Becher mit Trageschlaufe am Handgelenk mit sich zu führen. Ich besorge mir so einen Thermosbecher und den lokalen Longjing Tee. Er stammt laut Label wirklich aus Hangzhou, ist mir allerdings einen Tick zu unauffällig vom Geschmack. Auch nach verschiedenen Wassertemperaturen und Ziehzeiten. Tees von Emei Chan in Sichuan letztes Jahr hatten mich mehr begeistert, den Puer in Litang hatte ich nicht probiert. Tee(-blätter) gibt es überall zu kaufen in China, meistens der regional angebaute.
Die Metro wird gerade durch die ganze Stadt gebaut und die meisten Informationen zu ihr sind veraltet. In meinem Lonely Planet von 2013 taucht sie gar nicht auf, im Netz ist nur von Linie 1 (rot) die Rede, dabei ist Linie 3 schon in Betrieb. Die Fahrten sind teurer als in Guangzhou, die 6 Stationen von East Railway Station nach Longxiangqiao liegen bei 4 Yuan. Vorteil: alles auch auf englisch ausgeschildert. Nachteil: Die meisten touristisch relevanten Bereiche rund um den West Lake dürften am besten per Bus zu erreichen sein. Dafür sind die Busse mit 1 Yuan pro Fahrt sehr günstig. Am besten installiert man vor der Ankunft in China eine VPN App und nutzt Google Maps für die Busverbindungen. Alternativ: Es gibt ein englischsprachiges Tool, mit dem sich Busfahrpläne in der Stadt recherchieren lassen.
Fahrräder lassen sich in Hostels ausleihen. Ebenso verfügt die Stadt über ein Leihfahrradsystem, für das man allerdings eine elektronische Karte benötigt, dokumentiert unter http://wikitravel.org/en/Hangzhou
Ich begegne hier dem begriffsstutzigsten Dampfnudelverkäufer unter der chinesischen Sonne. Was kann so ein Laowei nur wollen, der nur unverständliches Ausländisch redet? Er kommt nicht drauf, und zuckt die Schultern, als ich vor ihm stehe. Ich zeige gestikulierend auf die Dampfkochgerätschaften, er lacht nur verlegen und weiß nicht, was ich von ihm will. Erst seine Mutter im Hintergrund versteht direkt, dass ich Essen kaufen will – und das per Fingerzeig. Die resolute Dame packt mir die gewünschten 2 Baozi und ein Reisdreieck ein, während er nur daneben steht und nicht weiß, wie ihm geschieht. Als ich mich verabschiede vermutet er noch, ich habe nicht gezahlt, obwohl er direkt daneben stand, wie ich 5 Sekunden davor seiner Mutter die Scheine überreichte. So aus dem Häuschen ist er und von der Situation überfordert. Verrückt, kommt in einer Stadt mit 7 Millionen Einwohnern einfach so ein Kunde daher und will Essen kaufen ohne Chinesisch zu sprechen, dieser Schock muss erstmal verdaut werden.
Am Wochenende ist hier die Hölle los. Einige Straßen um den Westsee, Hupao und Nanshan werden zur Einbahnstraße umfunktioniert. Eine vierspurige Blechlawine mit Hupkonzert schiebt sich um den See. Dazu sind Menschenmassen unterwegs. In der Innenstadt ist die Situation wie verkaufsoffener Sonntag am vierten Advent. Am See gibt es wenigstens keine Autos an einigen Straßen und der Sonnenuntergang ist phänomenal. Pagoden und Tempel sind nachts beleuchtet und die Skyline der Stadt sieht von der Ferne ganz passabel aus. Aber mir sind das hier zu viele Menschen. Wie vielen bin ich heute wohl begegnet? 30.000? 50.000? 80.000? Das fühlt sich an wie Loveparade, bei der es irgendwann ein „too much“ an Gesichtern war. Diese Stadt ist mir zu voll und ich entscheide mich hier Shanghai ausfallen zu lassen.